Wenn der Präsident von Nintendo unerwartet anruft, nimmt man sofort ab. Genau das tat Designer Chris Maple 1998, als Minoru Arakawa, damals Präsident von Nintendo of America, ihn in den Hauptsitz nach Redmond bestellte.
Das mysteriöse Treffen, das die Spielegeschichte prägte
Maples in Seattle ansässiges Designbüro Media Design war spezialisiert auf kreative Notfalllösungen für große Kunden wie Boeing und die Seattle Mariners. Trotz fehlender öffentlicher Anerkennung war sein Ruf als diskreter Partner ausschlaggebend für diesen geheimen Nintendo-Auftrag.
"Sie erklärten, sie bräuchten ein westliches Rebranding für 'Pocket Monsters'", erinnert sich Maple. "Dann kippte ein Mitarbeiter japanisches Merchandising auf den Tisch – Spielzeug, Skizzen und Werbematerial – und bat mich, etwas namens 'Pokémon' zu erschaffen."
Der Kreativmarathon hinter dem ikonischsten Logo der Spielewelt
Mit nur einem Monat Zeit bis zum Debüt von Pokémon auf der E3 1998 arbeitete Maple besessen. "Normalerweise dauert so etwas ein halbes Jahr", sagt er. Begrenzt durch die geringe Auflösung und Farbpalette des Game Boy entwarf er Dutzende handgezeichneter Konzepte, bevor er seine Favoriten präsentierte.
Der Durchbruch kam, als die Nintendo-Führung einstimmig seinen energiereichen Entwurf billigte. "Diese Buchstaben strahlen unbestreitbare Lebendigkeit aus", reflektiert Maple. Seine Farbwahl – kräftiges Gelb mit blauen Akzenten – ergänzte perfekt die bevorstehenden Editionen Pokémon Blau und Gelb.
Geheimnisse des Designprozesses enthüllt
Maple zeigt selten gesehene Artefakte:
- Original-Bleistiftskizzen der Logo-Entwicklung
- Farbtestblätter mit verschiedenen Paletten
- Frühe Vektorentwürfe vor den letzten Feintuning
Nach dem Launch bat Arakawa um subtile Verbesserungen der Konturen von "P" und "E" – kleine Änderungen, die zur heute weltweit erkannten Version führten.
Ein fast vergessenes Vermächtnis
Jahrzehntelang blieb Maple anonym – üblich für Logodesigner. "Ich vergesse nie den riesigen Toys-R-Us-Aufsteller", lacht er. "Meine Tochter verkündete stolz, ich hätte ihn entworfen, während andere Eltern böse guckten."
Nun bricht er auf Drängen seiner Familie sein Schweigen und hofft, Nintendo möge ihn für das 30-jährige Pokémon-Jubiläum konsultieren. "Dieses Logo trägt generationenübergreifende Bedeutung", betont der Designer. "Jubiläumsgestaltung verdient Sorgfalt."
Vom geheimen Unternehmentreffen zum kulturellen Symbol – Maples einmonatiger Kreativrausch schuf vielleicht die beständigste visuelle Identität der Spielebranche: ein Beweis für instinktives Designgenie, das genau zum richtigen Zeitpunkt auf kommerzielle Gelegenheit traf.